Caroline - Teil 12

Am nächsten Morgen werde ich schon gegen sechs Uhr geweckt. Draußen tobt das Leben! Klar, es ist ja Sonnabend! Bettenwechsel, oder besser Häuserwechsel. Es ist Ab- und Anreisetag. Am Nebenhaus sind Stimmen zu hören, Kofferraumdeckel werden zugeknallt, Autotüren geöffnet und hinterher geräuschvoll wieder zugeschlagen.

Ein Teil der Urlauber fährt heute nach Hause. Etliche, wohl vor allem die, die noch einen langen Heimweg vor sich haben, wollen offensichtlich früh los. Ich nicht, ich kann noch eine ganze Woche bleiben. Ich kuschle mich wieder in meine Kissen nachdem ich schnell zur Toilette gehuscht war. Aber ich kann nicht wieder einschlafen und gebe mich im Halbschlaf, einige Zeit schönen Tagträumen hin. Doch gegen sieben Uhr wird es nebenan entschieden zu laut zum Träumen. Aber ich war gestern ja auch wieder recht früh im Bett, da kann ich genauso gut jetzt auch aufstehen.

Die Dusche macht mich putzmunter und das rasieren klappt heute hervorragend. Der Ofen, noch vor dem Duschen schnell angeheizt, verbreitet wohlige Wärme im Haus. Heute schminke ich mich sofort, nachdem ich mir wieder etwas übergezogen habe. Gleich nach der Rasur hatte ich diesmal eine kühle Tageslotion ganz dünn aufgetragen. Und es klappt ganz gut. Nichts was brennt oder unangenehm auf der geröteten Haut wäre. Sehr schön! Das heißt, ich kann mich wirklich gleich morgens, nach dem duschen und rasieren, gleich wenn ich mir Unterwäsche angezogen habe, mich auch schon schminken. Wichtig zu wissen für einen eventuellen Alltagstest.

Alltagstest? Ich muss verrückt sein an so etwas auch nur zu denken. Aber wenn ich meine Idee war machen sollte, am Wochenende Zuhause als Frau gekleidet zum Bäcker zu gehen, dann, ja dann könnte ich das so machen.

Da ich mir noch nicht sicher bin, ob ich den geplanten Besuch in den beiden Galerien heute auch machen werde, behalte ich zunächst einmal wieder nur meinen Morgenmantel an. Allerdings lege ich vorher noch schnell einen gutsitzenden BH an, denn die angeklebten schweren Brüste zerren so doch recht kräftig an der Haut. Und die Perücke muss sein. Ohne richtige Frisur komme ich mir inzwischen, geschminkt und gekleidet wie ich bin, etwas blöde vor.

Dann frühstücke ich ausgiebig und lange. Nebenbei läuft der Fernseher zur Berieselung. Mein gestern Abend noch gefasster Plan sieht für heute vor, die Galerie noch einmal zu besuchen. Und zwar jene in der mich der Macker so blöde angemacht hatte. Und noch eine zweite ist mir wieder eingefallen. Das ist aber mehr so ein Laden für Kunsthandwerk. Doch schöne Bilder haben die da auch, das weiß ich noch vom letzten Urlaub, hier oben in Dänemark.

Als der Abwasch erledigt ist, geht's zurück ins Schlafzimmer und an den Kleiderschrank. Eine der weiblichen Kernfragen treibt mich an, …… was ziehe ich heute an?

Am liebsten würde ich ja wirklich die neuen dunkelblauen, hochhackigen Pumps anziehen die ich bei Greta gekauft habe. Die weißen sind für die Jahreszeit doch irgendwie nicht so ganz passend. Die werde ich mir für das Frühjahr oder den Sommer aufheben. Zu den dunkelblauen Schuhen könnte ich sehr gut meinen blau gemusterten, weit schwingenden Rock anziehen.

Beinahe noch besser würde mein dunkelblauer, schlichter, schmal geschnittener Bleistiftrock dazu passen. Der ist jedoch kürzer, schon fast Kniefrei. Ob ich den Rock mit Strümpfen darunter tragen kann? Und dann die hochhackigen dazu? Gewagt, gewagt! Doch die Anwältin in Lemvig trug doch auch so etwas. Ein dunkelblaues Kostüm und hohe blaue Pumps dazu. Gut, die war offensichtlich zu einem Termin unterwegs, und es war wohl auch ihre Arbeitskleidung, doch schließlich läuft so etwas doch ganz simpel unter Businesskleidung. Und schließlich weiß doch keiner das ich im Urlaub bin, wenn ich solche für mich wichtigen Termine, im Kostüm wahrnehme. Ich lebe mein Business, wenn ich Kunst kaufen gehe.

Und in den 60er Jahren machten die Frauen das schließlich doch auch größtenteils. Da trugen die Damen fast alle, hohe Stöckelschuhe. Und Strümpfe unter den Röcken und Kleidern. Etwas anderes gab es ja auch gar nicht.

Also warum nicht? Letzte Woche ging das schließlich auch! Wenngleich die Pumps an dem Tag nicht ganz so hoch waren. Und ich hatte eine Strumpfhose an. Aber das wird auch fast das Einzige sein, was anders ist, sinniere ich. Außerdem, so groß ist der Unterschied zwischen den Schuhen ja auch gar nicht. Und dass ich anstatt einer Strumpfhose echte, lange Strümpfe unterm Rock anhabe, das weiß sowieso nur ich.

Ich beschließe es einmal auszuprobieren. Schließlich ging es mit dem grauen Kleid doch auch! Und das ist deutlich kürzer als der blaue Rock. Also erst einmal wieder das vor kurzem gewaschene, ziemlich enge Korselett hervorgeholt. Und die beiden Brustprothesen, oder besser meine Haut, wissen das zu schätzen. Sofort als ich das enge Miederteil endlich geschlossen habe, hält es meine beiden angeklebten, schweren Brüste angenehm fest. Das ziehen und zerren der beiden weichen und wogenden, immer noch ein bisschen ungewohnten Massen, lässt bei hastigen Bewegungen schlagartig nach. Dann schnell einen dünnen Slip anziehen, jedoch nicht, ohne dessen Gummi noch einmal peinlich genau zu kontrollieren.

Nun die Frage nach der Strumpffarbe. Ich nehme heute wieder welche in Skin, diesem unaufdringlichen, hellbraunen, neutralen Hautfarbton. Ich mag diese unaufdringlichen Farbtöne einfach am liebsten. Schnell sind die Strümpfe gerafft, übergestreift und festgeklipst. Nun die Bluse. Ich wähle diesmal eine schlichte weiße. Und prompt kommt mir der blöde Kalauer wieder in den Sinn.

Was ist der Unterschied zwischen einer weißen Bluse und einem Ehemann? Mit einer weißen Bluse kann sich eine Frau überall sehen lassen.

Aber irgendwie stimmt es doch. Mit einer hübschen weißen Bluse zum Rock kann eine Frau sich wirklich überall sehen lassen und, zumindest stilistisch, kaum etwas verkehrt machen.

Der dunkelblaue, schmal geschnittene Kostümrock sitzt beinahe klasse. Es hapert nur ein wenig an meinen fehlenden fraulichen Rundungen an Hüften und Po, wie eigentlich immer bei mir. Und in dem engen Rock zeichnet sich vorne eine leichte Beule ab. Eine Beule die keine Frau an dieser Stelle hat. So ziehe ich den Rock und auch meinen Slip noch einmal aus.

Das Miederhöschen mit der festen Verstärkung an der Vorderseite passt wie angegossen. Davon habe ich mir gleich fünf Stück gekauft, als ich merkte wie gut die geschnitten sind. Das sind auch keine solchen, knappen Dinger, nein die reichen bis hinauf in die Taille. Und dahinter versteckt sich mein kleiner Freund, indem er einfach hinter der festen und verstärkten Vorderpartie plattgedrückt wird. Und das ist komischerweise überhaupt nicht unangenehm. Jedenfalls weniger als wenn der Penis nach hinten zwischen den Schenkeln zu liegen kommt. Und mit ein paar Verrenkungen schiebe ich dann auch die vier Schaumstoffpolster an ihre Plätze. Ich glaube fast, diese gewölbten Schaumstoffdinger sollte ich einfach immer drunter tragen.

Mit dem Rock wieder darüber, sehe ich nämlich im Spiegel eine typisch weiblich gerundete Linie. Breitere, fülligere Hüften und einen etwas drallen Po. Beides kommt in dem engen Bleistiftrock sehr gut zur Geltung. Und die verräterische Beule vorne, bei solchen eng sitzenden Röcken nicht immer völlig zu vermeiden, ist dank der festen Vorderplatte des Miederhöschens, jetzt auch völlig verschwunden.

Und da auch meine Schultern, jedenfalls für einen biologischen Mann, relativ schmal sind, und meine Taille durch das feste, enge Korselett auch ein bisschen verringert ist, sieht das alles zusammen, zumindest von meiner Figur her, doch einigermaßen weiblich aus. Auch die Kostümjacke ist schnell übergezogen. Nur spannungsfrei schließen, lassen sich deren Knöpfe nicht. Aber schließlich kann frau so ein tolles Kleidungsstück ja gut auch offen tragen.

Jetzt aber schnell einmal probehalber in die neuen dunkelblauen Pumps geschlüpft. Huuh, oh weihaaa, ziemlich hoch sind die! Viel höher fühlen sie sich an, als meine anderen dunkelblauen Pumps, die ich letzte Woche zu dem Rock trug. Und die waren schließlich auch schon die klassischen zehn Zentimeter hoch.

Bei diesem neuen Paar sind die Absätze optisch gar nicht so viel höher. Zwölfeinhalb Zentimeter habe ich gemessen. Aber als ich einmal beide Paare probeweise nebeneinanderstellte, sah man den Unterschied deutlich. Das sind schließlich fünfundzwanzig Prozent mehr, und die merke ich jetzt in den Waden, die machen sich ziemlich bemerkbar. Und sie sind dünner, viel dünner, diese winzigen Metallabsätze, und damit ziemlich kippelig.

Doch es geht. Es geht sich darauf sogar recht gut, wenn man bedenkt, dass sie nicht nur so kleine Auflageflächen haben, sondern auch noch über zwölf Zentimeter hoch sind. Vorsichtig mache ich ein paar Runden durch das Wohnzimmer. Es klappt! Nach ein paar Schritten habe ich den richtigen Bewegungsablauf irgendwie schnell wiedergefunden. Genau wie vor ein paar Tagen auf den grauen Pumps. Allerdings merke ich meine Waden nun deutlich. Da brauche ich bestimmt noch ein wenig Training, bis ich solche Stöckelschuhe locker, und vor allem längere Zeit tragen kann.

Zum Fahren werde ich da besser meine anderen dunkelblauen, die mit den nur halb so hohen Absätzen anziehen. Klasse, dass ich nun allein drei dunkelblaue Paare habe, die sich hauptsächlich nur in der Höhe ihrer Absätze unterscheiden. Allen drei gemeinsam ist ihr klassischer Schnitt. Allerdings ist der Komfort recht unterschiedlich. Diese hier sind mit Sicherheit nichts, um darauf lange und weite Strecken zurückzulegen. Aber sie sehen, vor allem mit dem Kostüm einfach toll aus!

Im Spiegel sehe ich nämlich eine schlanke, irgendwie alterslos wirkende Dame, in klassischer Kleidung. Und der Spiegel zeigt noch etwas, …... die Pumps sind wirklich nicht zu hoch. Sie passen perfekt zu meinem restlichen Outfit, mit dem dunkelblauen Kostüm. Darauf werde ich nachher durch die Galerie stöckeln!

Der Rocksaum sitzt auch gut. So eben ein wenig oberhalb der Mitte meiner Knie endend. Noch kein Mini. Und die Strümpfe sind so lang, dass da überhaupt keine Gefahr besteht, jemand würde irgendwie erkennen, dass ich echte Nylons anhabe. So werde ich nachher losgehen. Vorher sprühe ich den rechten Schuh allerdings noch mit Schuhdehnspray ein, er drückt etwas. Dann, nachdem ich die Kostümjacke wieder ausgezogen habe, mache ich mein Bett, räume ein wenig auf und putze das Bad. Die Wasserflecke auf dem Spiegel mag ich nämlich nicht.

Das wäre für Außenstehende sicher jetzt ein etwas befremdlicher Anblick! Eine Dame, die im engen Rock und auf himmelhohen Stöckelschuhen Hausputz macht. Doch das ist mir egal! Ich fühle mich gut! Und ganz nebenbei übe ich mich darin, auch im Rock und auf Pumps, bei noch ungewohnten Bewegungsabläufen eine einigermaßen passable Figur abzugeben.

Trotzdem muss ich den rechten Schuh noch mehr behandeln. Er kneift nämlich schon nach kurzer Zeit im Zehenbereich ganz unangenehm.

Nach einem weiteren Male innen und außen satt mit Schuhdehnspray eingesprüht und eine gute viertel Stunde darauf umhergelaufen, erweist sich auch der rechte Schuh endlich als passend.

Diese, insgesamt gute halbe Stunde war eine, wie ich bemerke, elendig lange Zeit. Vor allem wenn frau nichts Richtiges zu tun hat. Und ich konnte doch jetzt unmöglich so zur Müllstation stöckeln, oder spazieren gehen. Die Löcher die diese Absätze im Sandboden verursachen würden, wären sicher sehenswert. Außerdem hätte ich auf dem Kiesweg den Bezug der Absätze mit Sicherheit sofort ruiniert. So aber habe ich mich nun gleich einigermaßen an die dünnen, extrem hohen Absätze gewöhnt. Geht doch!

Eigentlich könnte ich nun losfahren, aber dazu muss ich in meine nur etwa halb so hohen Pumps schlüpfen. Mit diesen Stöckeln werde ich besser nicht Auto fahren. Jedoch eine innere Stimme warnt mich davor, die neuen Schuhe jetzt schon wieder auszuziehen. Das Leder ist mit Sicherheit bestimmt noch nicht richtig dauerhaft geweitet. Wenn ich die jetzt ausziehe und in die anderen Schuhe schlüpfe, dann kann es sein, dass ich nachher, bei der Galerie, wieder von vorne anfangen muss, mit dem Dehnspray.

Deshalb nehme ich meine Wanderung durch das Häuschen wieder auf. Da es draußen trocken zu bleiben scheint, gehe ich sogar hinaus und hänge mein Duschhandtuch unter dem Dachüberstand auf. Dabei muss ich jetzt jedoch höllisch aufpassen, nicht in eine Fuge der Bohlen zu treten. Das würde die Absätze, respektive deren Bezug, mit Sicherheit sofort ruinieren. Und wer weiß, dabei kann frau sich auch schnell mal die Knochen brechen, oder die Bänder dehnen.

Dann ordne ich noch meine sämtlichen Klamotten neu auf den Bügeln. Die Sachen hängen anschließend wieder korrekt nach Kleidern, Röcken und Blusen, sowie schön nach Farben sortiert im Kleiderschrank.

Außerdem ziehe ich eine Schürze über und putze draußen auf der Terrasse alle meine Schuhe. Für jedes Paar gehe ich dabei einzeln zum Schrank im Flur und zurück. Schließlich soll ich mich ja bewegen um das Leder zu weiten. Und das Putzen dauert seine Zeit. Doch gegen halb zwölf bin ich soweit fertig. Die Pumps sind nach nunmehr über zwei Stunden Tragezeit zwar noch nicht als richtig bequem einzustufen, aber sie passen inzwischen doch besser, als ich es erwartet hatte.

Für stundenlanges Laufen sind sie allerdings definitiv nichts, das steht schon einmal fest. Aber wenigstens drücken sie jetzt nicht mehr. Außerdem hat sich meine Wadenmuskulatur offensichtlich bereits etwas an die neue Absatzhöhe gewöhnt. Ich habe nicht mehr das ständige Gefühl, als stünde ein Wadenkrampf nur Sekunden bevor. So packe ich schnell meine dunkelblaue Handtasche, nehme die Kostümjacke vom Bügel und ziehe sie an. Die Ärmel der Jacke könnten auch ein klein wenig länger sein. Aber als ich die Manschetten der Bluse hervorziehe und über den Ärmeln der Jacke umschlage sieht das richtig gut aus. Genauso mache ich das mit dem Kragen.

Die dunkelblauen Pumps, mit den nur halb so hohen Absätzen erweisen sich nun als regelrecht platte Treter, zumindest gegenüber den Stöckeln die ich bis eben trug. Aber sie tragen mich wenig später ohne Probleme zum Auto. Die neuen High-Heels, sicherheitshalber mit Schuhspannern ausgefüllt, und auch das mittlere Paar, habe ich in einer Tasche dabei, genauso eine Flasche mit Sprudelwasser und ein paar Kekse, sowie mein Schuhdehnspray. Wer weiß, vielleicht brauche ich das heute doch noch einmal.

Die Strecke nach Husby ist mir inzwischen vertraut, Licht habe ich eingeschaltet und an die achtzig Kilometer pro Stunde denke ich auch. So erreiche ich nach einer knappen halben Stunde entspannten Autofahrens die Galerie. Heute parkt hier nur ein Wagen mit dänischen Kennzeichen, dass beruhigt mich irgendwie.

Sicherheitshalber sprühe ich beide Schuhe in der geöffneten Autotür noch schnell einmal mit Dehnspray ein und schlüpfe sofort hinein. Die paar Schritte durch den groben Kies, hinüber zur Eingangstür, muss ich vorsichtig sein, doch es geht alles glatt. Drinnen ist offensichtlich keine Menschenseele. So beginne ich erst einmal meinen Rundgang durch die Räume.

Durch das harte klappern meiner Absätze angelockt, oder soll ich besser sagen alarmiert, erscheint kurz darauf die Galeristin. Sie erkennt mich sofort wieder und begrüßt mich nahezu überschwänglich. Sie findet es gut, dass ich ihre Räume noch einmal besuche und lobt meine dezent feminine Erscheinung.

Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren das sie übertreibt. Entweder hat sie, wegen des blöden Malers letzte Woche, ein schlechtes Gewissen, oder sie will jetzt mit Kraft erreichen das ich bleibe und Geld ausgebe.

Und was heißt eigentlich überhaupt dezent? Ich laufe hier in der Pampa im Kostüm mit ziemlich kurzem Rock und auf richtigen High-Heels auf. Ich habe echte, hauchdünne, transparente und leicht glänzende Nylons darunter an und bin stark geschminkt. Eine dezent aufgemachte Dame sieht doch irgendwie anders aus.

Aber wie denn eigentlich? Kein Make-up? Sneakers, Hosen und Schlabberpulli? Egal! Ich fühle mich, geschminkt und gestylt, in Rock und Bluse, sowie hochhackigen Schuhen einfach besser und wohler als Frau. Und ich sehe mich kurz darauf im Spiegel, im Durchgang nach hinten, so wie eine Business-Lady aussehen.

Inzwischen bin ich bei dem dreiteiligen Bild, einem so genannten Triptychon angekommen das mir bereits letzte Woche so gut gefallen hat. Nach kurzer Verhandlung sind wir uns einig, ich kaufe den Satz. Die Galeristin nötigt mich noch zum Verkaufsabschluss in ihre Cafeteria und bietet mir einen Kaffee an. Ich willige ein und setze mich.

Da sie recht gut deutsch spricht, haben wir wenigstens kein Verständigungsproblem. Sie fragt recht unumwunden, warum ich als Mann in Frauenkleidern umherlaufe. Nach meiner längeren Erklärung schüttelt sie den Kopf mit ihrer blonden Kurzhaarfrisur. Aber sie meint dann abschließend, ich sähe als Frau doch recht passabel aus. Aus ein paar Metern Entfernung würde ich problemlos als Frau durchgehen. Nur so, von dichtem, gewissermaßen auf Tuchfühlung, zeige sich hier und da ein bisschen meiner männlichen Vergangenheit. Es sind meine wohl immer noch nicht richtig überzeugend weiblichen Bewegungsabläufe und Gesten, die mein Gegenüber haben stutzig werden lassen.

Als ich beinahe wie eine gute Freundin verabschiedet werde, habe ich nahezu eineinhalb Stunden in der Galerie zugebracht. Und das schönste ist, die neuen Schuhe drücken nirgends mehr. Sie passen wie angegossen! Nur die Höhe der Absätze ist immer noch ziemlich gewöhnungsbedürftig. Das melden zumindest meine Wadenmuskeln.

Weil ich noch nicht zurückfahren will, beschließe ich noch nach Ulfborg hinüber zu fahren. Bevor es losgeht, wechsle ich noch schnell meine Schuhe. Und nun merke ich die nur etwa sechs Zentimeter hohen Absätze kaum. Regelrechte Bequem Pumps sind das jetzt. Und was habe ich vor etwa zwei Jahren noch, bereits auf solchen Absätzen, für Probleme gehabt. Kaum zu glauben welche Entwicklung ich in dieser Zeit durchgemacht habe.

Um nach Ulfborg zu gelangen muss ich die Hunderteinundachzig kreuzen und komme über Staby schnell in das kleine Städtchen Ulfborg. Mein Auto stelle ich an der Fußgängerzone, hinter der Tourist Information ab und beschließe jetzt doch lieber nicht wieder die ganz hohen Pumps anzuziehen.

In Husby war ich ja zum Autofahren wieder in die bequemen halbhohen geschlüpft. Das war mir einfach sicherer. Doch in weiser Voraussicht hatte ich ja vorsichtshalber auch noch das dritte Paar eingepackt. Die dunkelblauen Pumps, die ich letzte Woche bei meinem ersten Besuch in der Galerie anhatte. Die sind zwar auch knapp zehn Zentimeter hoch, was sich jedoch, nach der Zeit auf den hohen dünnen Stöckeln, jetzt als ziemlich problemlos erweist. Ich klappere also los durch die gågade, die Fußgängerzone.

Doch nach ein paar Geschäften bin ich schon an der Hauptstraße, der Sechzehn und hier ist richtig gut Verkehr. Eben schon, mit dem Auto, war ich froh, dass es hier eine Ampel gibt, denn sonst kann frau hier lange warten, um die Straße zu queren.

Drüben, auf der anderen Seite, gibt es ein Geschäft für Damenmoden, mit wirklich hübsch, oder besser klassisch dekorierten Fenstern. Das haben die Dänen irgendwie drauf! Jedes kleinere Städtchen, oder größere Dorf hat hier seine Läden und Geschäfte. Genauso hier in Ulfborg, aber ich sehe in den Schaufenstern nichts, was mich reizen könnte zu kaufen. Und nur um zu testen wie die Leute hier auf mich reagieren, brauche ich nicht noch mehr Klamotten zu kaufen. Obwohl mich der bunte Rock schon reizen könnte. Er ist so lang, dass er die Knie der Schaufensterpuppe gerade bedeckt. Auf weißem, oder eher hellbeigen Grund, sind nicht zu große Mohnblüten und Kornblumen sowie dünne hellgrüne Gräser zu erkennen. Aber ich habe vorerst wirklich mehr als genug anzuziehen. Wann bloß soll ich Zuhause das alles nur tragen? Ich gehe weiter.

In die Seitenstraße eingebogen, sehe ich noch drei weitere Schaufenster und zwei Ständer mit Sonderangeboten. Und wieder einmal kann ich mich denn doch nicht bremsen. Mittlerweile fast schon routiniert, blättere ich die Bügel durch. Shirts, Pullis, Blusen, siebenachtel Hosen und ganz zum Schluss ein paar Röcke. Einer, ein schlichter beiger Leinenrock findet meine Zustimmung. Und fast ganz am Ende der Stange, ein weiterer Rock. Weißer Grund, mit etwas größerem, unregelmäßigem Fleckenmuster in dunkelbraun, grau und Türkis. Der hat auch meine Größe, den nehme ich doch auch. Genau wie das helle Shirt, denn alle Teile kosten umgerechnet jeweils nicht einmal fünfzehn Euro. Und auch eine dunkelblaue Hose, in gerade wieder topmodischer siebenachtel Länge, könnte mich reizen.

Die schon ein wenig ältere Verkäuferin begrüßt mich und zeigt mir die beiden geräumigen Umkleidekabine an der Rückseite des Ladens. Der Leinenrock sitzt irgendwie nicht richtig, den lasse ich hier. Doch der andere, der mit den unregelmäßigen Flecken findet meine Zustimmung, genauso wie das weiche, helle, locker fallende Shirt.

Und dann die kurze-lange, Hose? Eigentlich hatte ich beschlossen als Frau keine Hosen anziehen zu wollen, doch ich mach's einfach einmal. Und tatsächlich find' ich sie todschick, als ich mich hineingequält habe. Das klappt allerdings erst, als ich endlich bemerkt habe, dass der winzige Knopf und der hauchfeine Reißverschluss sich hinten befinden. Eine typische Gemeinheit der weiblichen Garderobe.

Trotzdem bin ich hellauf begeistert von diesem Stück. Sie sitzt super, ist allerdings kein bisschen elastisch und endet gute zehn Zentimeter oberhalb meiner Knöchel. Das lenkt meinen Blick im Spiegel denn auch sogleich auf meine farblich gut dazu passenden dunkelblauen Pumps.

Die Verkäuferin reicht mir noch einen weißen Gürtel und ich denke gerade noch daran, ihn anders herum, als sonst bei meinen Hosen einzufädeln. Zusammen mit der weißen Bluse und meiner, dank der Schaumstoffpolster gut geformten Figur sitzt die Hose wirklich supergut. Dazu könnte ich doch tatsächlich auch gut die weißen Stöckel, die Zwillingspärchen zu meinen blauen anziehen, fällt mir ein. Die Hose nehme ich. Und ich behalte sie auch gleich an.

Die freundliche Verkäuferin trennt flink die Preisschilder von Hose und Gürtel ab, und rechnet alles, also auch Rock und Shirt zusammen. Ich zahle und bin kurz darauf wieder draußen. Keiner im Laden hat mich intensiver angesehen, ich habe das Gefühl doch so ganz langsam immer mehr als Frau durchzugehen. Und schon habe ich doch tatsächlich wieder einiges an Geld für Carolines Garderobe ausgegeben, denn der weiße Ledergürtel war fast so teuer wie der Rest zusammen.

Wenige Augenblicke später kommt das schlechte Gewissen in mir hoch. Wann bloß soll ich all das Zuhause einmal anziehen? Selbst wenn ich in Zukunft öfter meinen Feierabend und die Wochenenden als Caroline verbringen sollte. Ich glaube ich muss im Schlafzimmer den großen Kleiderschrank komplett für Caroline frei machen, wenn es so weitergeht. Und Stefans Sachen müssen in den Schrank im Nebenzimmer wandern, das auch als Gästezimmer dient.

Trotzdem stöckele ich auf meinen Pumps in der neuen Hose beschwingt ein Stück die Straße entlang. Doch bereits nach wenigen Häusern ist auch hier wieder Schluss mit der ‚Innenstadt', schlichte Wohnhäuser stehen hier. Auch an den anderen Straßen das gleiche Bild. So kehre ich nach einer knappen halben Stunde bereits zum Auto zurück. Dabei fällt mein Blick in das große, dunkle Schaufenster eines leerstehenden Ladens. Darin spiegelt sich eine trotz der Hose ziemlich elegant gekleidete Dame. Das wirkt tatsächlich klasse, die Hose, meine unten seidig verhüllten Beine und die hohen Schuhe. Nachdem ich wieder in die halbhohen Pumps geschlüpft bin, geht es zurück in mein gemütliches Ferienhaus, aber nicht, ohne in Fjaltring noch schnell beim Köpmand herein zu schauen und ein paar Sachen für das Abendessen mitzunehmen.

Es ist nur die ältere Verkäuferin da, aber auch sie bedient mich äußerst freundlich. Sie findet mein Outfit großartig und will wissen ob ich heute einen wichtigen Termin habe, oder zu einer Feier will.

Ich versuche ihr zu erklären, dass ich eigentlich nur ausprobiere, was mir steht und was ich gut tragen kann. Sie meint daraufhin, dass ich all das, was ich hier im Laden schon einmal anhatte, sehr gut tragen könnte. Ich sähe stets sehr überzeugend wie eine gut gekleidete Dame aus. Nur die Schuhe! Das ich auf so etwas überhaupt gehen könnte, ohne mir die Beine zu brechen ……….. ?

Lachend erzähle ich ihr, dass ich auch noch andere in dunkelblau habe und sie fragt ob die auch so hoch seien. Weil niemand sonst im Laden ist, erzähle ich ihr das die anderen noch höher sind und sie winkt ab. Deswegen wechsle ich draußen am Auto noch einmal in die ganz hohen Stöckel und klappere darauf zurück in den Laden.

Die Verkäuferin schlägt gespielt die Hände über dem Kopf zusammen. Solche Schuhe hat sie noch nie gesehen, und schon gar nicht selbst einmal getragen. Doch sie meint, ich könne das irgendwie doch sehr sicher tragen und es würde auch zu der Hose phantastisch aussehen. Wie ein Filmstar, oder eine Showmasterin im Fernsehen.

Ich sehe zu das ich hinaus komme, als zwei Frauen den Laden betreten. Erst unterwegs bemerke ich das ich die hohen Stöckel noch an den Füßen habe. Aber für die letzten beiden Kilometer sollte das gehen.

Wieder im Haus packe ich meine neuesten Errungenschaften aus und will mir dann schnell mein Essen machen. Nicht ohne jedoch vorher die hohen weißen aus dem Schuhschrank zu holen und anzuziehen. Sie sitzen ein kleines bisschen besser als die dunkelblauen, ich brauche kein Dehnspray. Zusammen mit dem weißen Gürtel sehen sie zu der dunkelblauen Hose sehr gut aus. Klasse das ich die Hose noch entdeckt habe.

Zu den Kartoffeln die ich flink schäle, gibt es einen halben Blumenkohl, der Rest ist für Übermorgen. Meine Mutter würde jetzt bestimmt lachen, sie hätte den Rest einfach am nächsten Tag wieder aufgewärmt. Aber der Kohlkopf ist einfach zu groß für die im Ferienhaus vorhandenen Kochtöpfe. So kommt die zweite Hälfte eben in den Kühlschrank.

Die Bratpfanne ist auch nicht so ganz das Gelbe vom Ei! Nix mit einer modernen Antihaftbeschichtung. Nein, eine richtig solide, rustikale Stahlpfanne. Bis darin das Öl heiß ist, um die beiden Bratwürste zu braten, sind die Kartoffeln bereits gar.

Na gut, ich mache ganz schnell Kartoffelbrei daraus und als der dampfend vor mir steht sind auch die Würstchen fertig.

Das Essen schmeckt mir und ich verputze fast alles.

Hinterher ist der Abwasch dran, das mag ich nicht stehen lassen. Und zwischendurch und nebenbei, sehe ich mir das Norddeutsche Dritte Programm an. Schließlich will ich informiert bleiben. Außerdem wechsele ich noch einmal in die ganz hohen blauen Pumps. Sie sehen, genau wie die weißen, zusammen mit der Caprihose, einfach rattenscharf aus. Allerdings zeigt sich, dass sich im sitzen meine Strapse, oder besser deren Halter, durch die enge Hose abzeichnen. Da sollte ich doch eventuell dann Strumpfhosen drunter ziehen. Aber für jetzt lasse ich das so, das sieht doch keiner.

Der abendliche kurze Gang zur Telefonzelle erfolgt bereits in der beginnenden Dämmerung, nachdem ich schnell in meine bequemen halbhohen dunkelblauen geschlüpft bin. Damit wirkt die Hose jetzt irgendwie alltäglicher als mit den Stilettos. Das erste Mal das sich Caroline in einer Hose zur Telefonzelle aufmacht.

Mit Erstaunen höre ich, dass meine Eltern erwägen gemeinsam in ein Seniorenstift umzusiedeln. Diese Neuigkeit hätten sie mir allerdings genauso gut auch nächste Woche persönlich mitteilen können. Aber ältere Leute werden komisch denke ich so vor mich hin. Gut das wenigstens ich nicht so bin.

Nachdem ich wieder auf dem Rückweg zum Haus bin, muss ich über diesen Gedanken fast lachen. Ich und nicht komisch? Ich lebe seit zwei Wochen als Frau und bin doch biologisch ganz klar ein Mann. Und das ist eigentlich doch auch komisch.

Den Abend beschließe ich wieder einmal mit einem älteren Spielfilm in WDR III. Er ist von Ende der 60iger Jahre und auch hier wieder tragen praktisch alle Frauen Kleider und Röcke. Nur die ganz jungen springen in Hosen herum und Ballerinas. Gegen 22 Uhr schminke ich mich ab, versorge noch schnell meine Perücke und dann kuschle ich mich in meinem dünnen Nachthemd in die Kissen.